Bayerische Kirchengeschichte meint die Geschichte des Christentums auf dem Territorium des Anfang des 19. Jahrhunderts geschaffenen neuen Staates Bayern, und zwar beginnend mit den Anfängen des Christentums (und Judentums) in den römischen Städten, über das Mittelalter, die Reformation und die Neuzeit bis in die unmittelbare Gegenwart. Sie umfasst also die gesamte Kirchengeschichte sämtlicher Vorgängergebiete dieses „neuen Bayern“ – das weit über die „altbayerischen“ Grenzen hinausreicht.
Mit Franken, Bayerisch-Schwaben und der Oberpfalz kamen zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch Regionen zum damaligen Königreich Bayern, in denen seit der Reformationszeit unterschiedliche evangelische Kirchenwesen zahlreicher selbständiger (reichsunmittelbarer) Territorien und Städte bestanden. Dies waren:
die beiden markgräflich-brandenburgischen Fürstentümer Ansbach (entspricht etwa den heutigen Landkreisen Ansbach, Weißenburg-Gunzenhausen, Roth sowie zum Teil Kitzingen) und Bayreuth (etwa heutige Landkreise Bayreuth, Kulmbach, Hof, Wunsiedel, Erlangen, Neustadt/Aisch sowie zum Teil Kronach),
die bedeutenden, sogar international ausstrahlenden Reichsstädte Nürnberg, Augsburg und Regensburg sowie die kleineren Reichsstädte Memmingen, Lindau, Kempten, Kaufbeuren, Donauwörth, Nördlingen, Dinkelsbühl, Weißenburg, Windsheim, Rothenburg und Schweinfurt,
Grafschaften wie Oettingen, Pappenheim, Schwarzenberg-Seinsheim, Wolfstein (das „Landl“ um Sulzbürg) und Ortenburg (bei Passau), die wittelsbachischen Fürstentümer Pfalz-Amberg, Pfalz-Neuburg bzw. Pfalz-Neuburg/Sulzbach und schließlich, kaum überschaubar,
die vielen Adelsherrschaften in Franken und Schwaben.
Im Jahr 1920 kam auch die vormals sächsisch-thüringische Luther-Stadt Coburg sowie Königsberg in Franken mit ihrem jeweiligen Umland zu Bayern, nach 1945 auch Ostheim vor der Rhön. (Nach der Niederlage im Krieg gegen Preußen 1866 waren Tann in der Rhön mit Gersfeld und Orb mit Aufenau an die Provinz Hessen abgetreten worden.)
Die verschiedenen Kirchenwesen dieser einzelnen Territorien wurden im neuen Bayern seit 1806 zu einer Landeskirche zusammengefasst, die eine sehr besondere Entwicklung durchlief. Nach dem Untergang des landesherrlichen Kirchenregiments selbständig geworden, führt sie seit 1921 offiziell den Namen: „Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern“ (ELKB) – eine mit ihren Wurzeln tief zurückreichende, an spirituellen und kulturellen Schätzen und Tradionen reiche, vielfältige, in der Gegenwart und hoffentlich auch in der Zukunft lebendige Kirche.
Wenn auch die Vorgeschichte und Geschichte der ELKB im Mittelpunkt der Arbeit des Vereins für bayerische Kirchengeschichte (VBKG) steht, so geschieht diese Arbeit doch bewusst in ökumenischer Aufgeschlossenheit zur Erforschung römisch-katholischer Kirchengeschichte – in den bayerischen Diözesen Würzburg, Bamberg, Eichstätt, Regensburg, Augsburg, München-Freising und Passau. Wir freuen uns, das seit jeher auch römisch-katholische Kirchenhistoriker im Vorstand des VBKG mitarbeiten. Doch nicht nur die Entwicklungen in den beiden großen Kirchen, auch alle „freien“ Strömungen des Christentums in Bayern stehen im Blick des VBKG sowie, nicht zuletzt, auch die Geschichte der christlich-jüdischen Beziehungen vor Ort und im Land.
Der VBKG wurde im Jahr 1924 aus der kirchenhistorischen Sektion des Pfarrervereins, dessen Vorsitzender Karl Schornbaum (1875-1953) war, heraus gegründet. Schornbaum, ein bedeutender Landeshistoriker, übernahm den Vorsitz des neuen Vereins und wurde im Jahr 1931 zum ersten Direktor des neu errichteten Landeskirchlichen Archivs in Nürnberg bestellt. Prägende Bedeutung für den VBKG hatten auch Archivdirektor Matthias Simon (1893-1972) und Archivarin Helene Burger (1907-1989), die aus einer alten fränkischen Pfarrerfamilie stammte. Zur Institution des Landeskirchlichen Archivs der ELKB besteht weiterhin eine enge Verbindung.
Auch zahlreiche Kirchenhistoriker der evangelisch-theologischen Fakultäten in Bayern und bayerische, schwäbische und fränkische Landeshistoriker, manche von ihnen ebenfalls römisch-katholischer Konfession, haben sich mit ihren Studenten und Doktoranden eingebracht. Genannt seien nur die Professoren Wilhelm Maurer (1900-1982), Gerhard Pfeiffer (1905-1996), Friedrich Wilhelm Kantzenbach (1932-2013) und Alfred Wendehorst (1927-2014).
Zusammen mit den historischen Vereinen anderer Gliedkirchen der VELKD bzw. der EKD (Evang. Kirche in Deutschland) steht der VBKG in kontinuierlichem Austausch in der „Arbeitsgemeinschaft Deutsche Landeskirchengeschichte“ (ADLK). Dieser erarbeitet regelmäßige Tagungen und legt Publikationen vor. Exemplarisch sei hingewiesen auf das Werk: Dietrich Blaufuß / Thomas Scharf-Wrede (Hg.): Territorialkirchengeschichte. Handbuch für Landeskirchen- und Diözesangeschichte, 2005.
Als Verein fördern wir die Arbeit in der „bayerischen Kirchengeschichte“ durch die Herausgabe wissenschaftlich fundierter Publikationen. Durch Tagungen stärken wir den fachlich-persönlichen Austausch aller, die sich in der Erforschung der „bayerischen Kirchengeschichte“ engagieren und oder auch nur für sie interessieren. Wichtig ist uns besonders die Perspektive der Gemeinden und Regionen. Und: wir sind aufgeschlossen für alle, auch kritischen Zugänge, die zu mehr (historischer) Erkenntnis verhelfen, um die Gegenwart und die Zukunftsaufgaben von Kirche und Gesellschaft besser zu verstehen. Wir freuen uns über Unterstützung und besonders natürlich über jedes neue Mitglied, das beitritt und mitarbeitet.